Missverständnisse - Gut zu Wissen

Die folgende Sammlung aus Missverständnissen, Fehleinschätzungen und schlichtem Unwissen beruht auf dem Artikel „Typische Missverständnisse zur gesetzlichen Betreuung“ von Olaf Kahnt im BtG-Magazin, Nr. 35, Juni 2012, S. 4-6. Sie soll helfen einerseits das Berufsbild besser zu verstehen, andererseits individuelle Erwartungen mit der Realität der rechtlichen Betreuung abzugleichen und möglichst schon vorab in Einklang bringen zu können.

Betreuung = Bevormundung und Entmündigung?

Die Intention des Gesetzgebers beim am 1. Januar 1992 in Kraft getretenen Betreuungsrecht war die Ablösung der „Entmündigung“ durch die rechtliche Betreuung, um den Betroffenen Hilfe zu einem selbstbestimmten Leben zu leisten. Sie bezieht sich im Wesentlichen auf die §§ 1896 ff BGB und wird nur für sogenannte Aufgabenkreise eingerichtet, in denen der oder die Betroffene tatsächlich Hilfe und Unterstützung braucht (Erforderlichkeitsprinzip). Handlungsleitend für den Betreuer sind die Wünsche und Bedürfnisse des/der Betreuten. Alle Entscheidungen müssen, soweit möglich, mit dem/der Betreuten besprochen und abgestimmt werden.
Es gibt krankheitsbedingt sehr weitreichende Betreuungen, z.B. wenn eine Selbst- oder Fremdgefährdung vorliegt, oder die Krankheit mit einer verzerrten Realitätswahrnehmung einhergeht. In diesen seltenen Fällen kann es vorkommen, dass der Betreuer stellvertretend und auch gegen den (geäußerten) Willen des /der Betreuten handeln muss, zum Wohle des Betreuten!
Ein Mensch unter Betreuung ist nicht automatisch geschäftsunfähig. Ebenso wenig darf ein Betreuer in medizinische Maßnahmen einwilligen, wenn es der/die Betreute selbst kann!

Die Allzuständigkeit von Betreuern – rechtliche Betreuung ist KEINE (psycho-) soziale Betreuung

Nach Meinung vieler außenstehender Menschen (Heimpersonal, Vermieter, Ärzte, Pflegepersonal etc.), die mit rechtlichen Betreuern zu tun haben, muss sich dieser um alles kümmern. Er ist in ihren Augen für all das zuständig, wofür sich niemand anderes findet. Beispielhaft seien hier Tätigkeiten wie Begleitung zu Arztbesuchen, Einkäufe, Putzhilfe, Umzugshilfe und ähnliches zu nennen. Betreute selbst erwarten häufig soziale Betreuung, z.B. häufige Besuche, Begleitung zu Unternehmungen, Fahrdienste etc. quasi als Ersatz oder Ergänzung des (fehlenden?) sozialen Umfelds wie Familie, Freunde und Bekannte.

Tatsächlich ist die gesetzliche Betreuung ein rechtliches Instrument mit klar definierten Aufgabenbereichen. Selbstverständlich organisiere, beantrage und beauftrage ich gerne weitergehende Hilfen der sozialen Betreuung, wie z.B. Ambulant Betreutes Einzelwohnen, das Persönliche Budget u.ä. und überwache die korrekte Leistungserbringung. Ein Berufsbetreuer kann diese Leistungen aber unmöglich selbst erbringen. Dies würde den Rahmen der Tätigkeit absolut sprengen. Dies führt auch zum nächsten Missverständnis, nämlich

Berufsbetreuer sind ständig erreichbar und immer verfügbar

Manche Ärzte, manches Heim- und Pflegepersonal, aber manchmal auch Angehörige erwarten von einem Berufsbetreuer, dass er immer erreichbar sei, 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche, 365 Tage im Jahr. Idealerweise muss er zusätzlich sofort persönlich erscheinen...
Warum?
Tatsächlich ist eine angemessene Erreichbarkeit, d.h. zu den üblichen werktäglichen Bürozeiten, immanent wichtig. Die Möglichkeit eine Nachricht zu hinterlassen und zeitnahe Rückrufe an Werktagen sind gewährleistet.
Eine ständige Erreichbarkeit außerhalb dieser Zeiten ist jedoch absolut nicht notwendig. In akuten Notlagen sind Polizei, Feuerwehr, Rettungsdienste und Notärzte die richtigen Ansprechpartner und vollkommen unabhängig vom Betreuer handlungsfähig und handlungsbefugt!

Der Berufsbetreuer hat für nette, saubere, ordentliche, vertragskonforme Betreute zu sorgen…

Gerade Vermieter erwarten von Berufsbetreuern häufig, dafür zu sorgen, dass Betreute sich „hausordnungskonform“ verhalten. Die Verhinderung von Ruhestörungen, Vernachlässigung der Wohnung oder das Einhalten der Putzdienste stehen aber nicht unmittelbar im Einflussbereich des Berufsbetreuers. Er hat keinen „Erziehungsauftrag“ und muss auch nicht selbst eventuelle Maßregelungen des Vermieters tragen. Die Betreuten sind eigenständige Personen und Persönlichkeiten, die lediglich für bestimmte Aufgabenkreise eine rechtliche Vertretung haben. Für mietrechtliche Beanstandungen gegenüber dem Mieter muss der Vermieter gegebenenfalls mietrechtliche Schritte einleiten, die rechtlich geprüft werden müssen. Selbstverständlich hat aber auch der Berufsbetreuer ein Interesse an einem friedlichen Zusammenleben. Er kann und wird an den Betreuten appellieren und gegebenenfalls weitergehende Hilfen organisieren um zu verhindern, dass sich akute Gefährdungslagen ergeben.

Der/die Betreute ist verstorben – und dann?

Die rechtliche Betreuung endet mit dem Tag des Todes, d.h. Aufträge die der Berufsbetreuer nach dem Tod des Betreuten erteilt, sind nicht rechtsgültig. Wurde bereits zu Lebzeiten eine Bestattungsvorsorge abgeschlossen, kann er aber selbstverständlich das Bestattungsinstitut informieren (da der Auftrag bereits früher erteilt wurde!). Ansonsten trifft die Bestattungspflicht die Hinterbliebenen, bei Mittellosigkeit kann ein Antrag auf Bestattungsbeihilfe bei der zuständigen Behörde gestellt werden. In diesem Zusammenhang stellt sich oft auch die Frage nach der Übernahme der Kosten für Wohnungsauflösungen und Renovierungen. Dies fällt eindeutig in den Bereich des unternehmerischen Risikos der Vermieter, bei Mittellosigkeit erfolgt keine Kostenerstattung!

Berufsbetreuer bereichern sich auf Kosten der Betreuten?

Die mehr als 12000 Berufsbetreuerinnen und Berufsbetreuer in Deutschland sind zum überwiegenden Teil in den verschiedenen Berufsverbänden für Berufsbetreuer organisiert, ich bin beispielsweise Mitglied im Bundesverband der Berufsbetreuer (BdB). Diese haben eigene Qualitätsregister, die Qualitätsstandards für die rechtliche Betreuung definieren.
Auch die strengen Vorgaben der Vormundschaftsgerichte und die von diesen geforderte umfangreiche Dokumentationspflicht minimieren das Risiko, dass Betreute von Berufbetreuern betrogen werden.
Die medienwirksam dargestellten Fälle, in denen Betreuer Vermögen oder Sachgegenstände unterschlagen haben und sich nicht um die Betreuten kümmern sind kriminelle Einzelfälle, in denen ethisch-moralische Werte und gesetzliche Kontrollmechanismen versagt haben!
In der Realität besteht in den allermeisten Fällen eine gute Kooperation zwischen den Betreuten und den Berufsbetreuern. Die Betreuten sind in aller Regel mit der Unterstützung durch die Betreuer sehr zufrieden. Dieses „professionelle Lebensmanagement“ der Berufsbetreuer von aus der Bahn geratenen Lebenssituationen, mit beispielsweise erledigter Post, realisierten Ansprüchen auf Sozialleistungen, Vermittlung weiterführender Hilfen, Kontaktaufnahme mit eventuellen Gläubigern usw. ermöglicht es vielen Betreuten, ihr Leben mit einer für sie guten Lebensqualität zu gestalten. Häufig können Betreute viel länger in der gewohnten Umgebung, den „eigenen vier Wänden“, verbleiben als es ohne rechtliche Betreuung möglich gewesen wäre.

Ich hoffe ich konnte bei Ihnen offen Fragen, Unsicherheiten, Unklarheiten oder Missverständnisse beseitigen. Sollten Sie dennoch Fragen haben zögern Sie nicht und senden Sie mir eine E-Mail.

Weiterführende Informationen erhalten Sie auf den Seiten des Bundesverbands der Berufsbetreuer/ innen.